zurück zum Blog
Fretting: Unsichtbarer Mechanismus, sichtbarer Schaden
Zwei Metalloberflächen die scheinbar stillstehen, aber doch minimal oszillieren – etwa durch Vibrationen oder thermische Ausdehnung. Diese winzigen Bewegungen (teilweise nur wenige Nanometer!) führen zu Adhäsion an Oberflächenasperitäten, die dann wieder abreißen und Verschleißpartikel bilden.
In der Tribologie beschreibt Fretting die Kombination aus lokal hoher mechanischer Belastung und Relativbewegung zwischen immer gleichen, dauerhaft miteinander in Kontakt stehenden Oberflächenbereichen. Metalle können unter diesen Bedingungen Oxide bilden und bei Eisenwerkstoffen wie Korrosion mit Rost-roten Partikeln wirken. Durch die hohe Belastung der Kontaktstellen werden schützende Passivschichten durch hochfrequente Mikro- oder Nanobewegungen kontinuierlich beschädigt. Das Ergebnis: Exponentiell beschleungte Materialverluste, die weit über das hinausgehen, was durch Verschleiß oder Korrosion allein zu erwarten wäre.
Was passiert dabei an der Oberfläche?
Durch kleinste oszillierende Relativbewegungen zwischen sonst zueinander statischen oder minimal bewegten Kontaktpartnern bilden sich und brechen Adhäsionsbrücken, unpassivierter Werkstoff wird freigelegt.
Frisch exponiertes Metall reagiert sofort mit Sauerstoff oder Umgebungsmedien – es bildet sich eine neue Reaktionsschicht, die aber bei den nächsten Mikrohüben wieder abgeschert wird.
Abgetragene Partikel agieren als Abrasivmittel und verstärken Beschädigung und Materialverlust, häufig erkennbar als „Passungsrost“.
Typische Praisbeispiele hierfür sind Welle-Nabe Verbindungen, Lagersitze, Keilwellen, Vielzahnwellen, Pressverbände (insbesondere in Hochbelastungsbereichen wie der Windenergieanlage, Onshore und Offshore) aber auch Dichtstellen und Ventile in der Chemieindustrie oder elektrische Steckkontakte sind klassische Fretting-Opfer.
Der von der TEMa entwickelte planar-Kontakt-Frettingprüfstand BigFret mit In-situ-Kamera ermöglicht es, den Entstehungs- und Abbauprozess der Triboschichten im Zeitraffer zu beobachten. Daraus lassen sich gezielt Maßnahmen ableiten: Auswahl geeigneter Beschichtungen, Einsatz fester Schmierstoffe oder Kontaktflächenoptimierung. Das Video oben zeigt beispielsweise einen LowRef Gleitlack im Versuch, also ein Gleitlack mit bekannt schlechter Anti-Fretting Wirksamkeit der in Vergleichsstudien verwendet werden kann. Unten im Video sieht man die Aufnahmen der Unter- und Oberprobe, oben links Sensormessungen (Reibkraft in schwarz, Normalkraft in blau, Temperatur in grün), oben rechts die Reibkrafthysterese. Das Video zeigt, einen frühzeitigen Schichtverlust mit Korrosionsbeginn und entsprechender Partikelbildung nach etwa 7 Stunden. Die Versuche laufen bei 1.000N Normalkraft und einem Absoluthub von 200µm.
Was kann man gegen Fretting machen? Dafür Sorgen, dass er nicht auftritt!
Bei mikro-oszillierenden Bewegungen zwischen vermeintlich statischen Maschinenelementen stoßen herkömmliche Schmierkonzepte schnell an ihre Grenzen. Während flüssige Schmierstoffe aus den engen Kontaktspalten verdrängt werden, können geeignete Festschmierstoffe langfristigen Schutz bieten. Die Wahl des Festschmierstoffes wiederum beeinflusst die Leistungsfähigkeit entscheidend. Calciumbasierte Verbindungen zeigen unter Frettingbedingungen oft bessere Langzeiteigenschaften als klassische Schichtgitterstrukturen wie Graphit oder MoS [1]. So konnte ein Frettingschaden bei Schmierung mit CaSO4 beispielsweise erst nach 180h festgestellt werden – bei Graphit bereits nach ca. 4 h.
Eine funktionierende Anti-Fretting Schicht zeichnet sich durch verschiedene Eigenschaften aus. Sie bildet stabile Triboschichten durch Reaktion mit der Eisenoberfläche, lokale Schäden werden durch Nachbildung von Triboschichten kompensiert und sie ist temperaturstabil, es findet also keine auch bei extremen Reibtemperaturen keine Schicht-Degeneration statt.
Zu beachten ist dabei, dass das zugrunde liegende Metall nicht nur Träger der Festschmierung ist, sondern aktiv mit dem Schmierstoff interagiert. Es beeinflusst die Bildung von Triboschichten und bestimmt dadurch maßgeblich die Wirksamkeit des Verschleißschutzes. Daher muss Festschmierstoff immer im Kontext des Gesamtsystems gewählt sein.
Unsere Tipps für die Praxis:
Bereits bei der Konstruktion sollte man möglichen Mikrobewegungen und deren Folgen Aufmerksamkeit schenken.
Gängige Schmierlösungen sollten nicht einfach schematisch übertragen werden – die chemisch-physikalische Passung zwischen Werkstoff und Schmierstoff ist oft entscheidend.
Regelmäßige Überprüfung und kritische Analyse der Wirksamkeit eingesetzter Festschmierstoffsysteme im Realbetrieb durchführen.
Im zweiten Video sieht man übrigens einen sehr gut laufenden Gleitlack der auch nach 48 Stunden Laufzeit keine Anfänge von Fretting zeigt.
[1] 𝘉𝘶𝘴𝘦, 𝘏.; 𝘚𝘤𝘩𝘶𝘦𝘭𝘦𝘳, 𝘍.; 𝘏𝘰𝘥ú𝘭𝘰𝘷á, 𝘌. 𝘗𝘭𝘢𝘯𝘢𝘳 𝘊𝘰𝘯𝘵𝘢𝘤𝘵 𝘍𝘳𝘦𝘵𝘵𝘪𝘯𝘨 𝘛𝘦𝘴𝘵 𝘔𝘦𝘵𝘩𝘰𝘥 𝘈𝘱𝘱𝘭𝘪𝘦𝘥 𝘵𝘰 𝘚𝘰𝘭𝘪𝘥 𝘓𝘶𝘣𝘳𝘪𝘤𝘢𝘯𝘵𝘴. 𝘓𝘶𝘣𝘳𝘪𝘤𝘢𝘯𝘵𝘴 2021, 9, 58. 𝘩𝘵𝘵𝘱𝘴://𝘥𝘰𝘪.𝘰𝘳𝘨/10.3390/𝘭𝘶𝘣𝘳𝘪𝘤𝘢𝘯𝘵𝘴9060058.